Großeltern: Weggefährten beim Glauben-Lernen

„Die Omas sind auch nicht mehr die, die sie einmal waren“ - Welche Oma-Bilder haben wir Kopf? Wohl längst nicht mehr die im Lehnstuhl sitzende Alte, umringt von den Enkeln. Eher die berufstätige selbstbewusste Frau, die mit Handy und PC Kontakt hält. „Oma“ will sie nicht hören, sie wird von den Enkeln mit Vornamen angesprochen. Welches Leitbild haben Großeltern von sich selbst? Ihre Unterschiedlichkeit ist größer als je!

„Die Verhältnisse sind nicht so“

Hinter den differenzierten Großeltern-Bildern stehen gewandelte Lebensverhältnisse: Größere räumliche Distanz und Mobilität; weniger Kinder und Enkel; mehr berufstätige Frauen; mehr Interesse an nachberuflichen außerfamiliären Aktivitäten (Bildung, Reisen, freiwilliges Engagement…); beachtliche ideelle und materielle Unterstützung der jungen Familien durch die Großeltern. Etwa jedes 3. Kind im Vorschulalter wird regelmäßig von Großeltern betreut. Nicht wenige Großeltern leiden darunter, dass sie ihre Enkel nur sporadisch erleben.

Großeltern sind oft in einer „Sandwichsituation“: Mit 55 – 60 Jahren sind kleine Enkel da, gleichzeitig kümmern sie sich um ihre hochbetagten Eltern. Nicht zu übersehen ist die zunehmende Bedeutung von „Wahl-Verwandtschaften“: Oft werden Ersatz-Omas, -Opas, -Tanten zu wichtigen Bezugspersonen.

„Unsere Rolle zwischen Einmischung und Entfremdung“

Wie die eigene Rolle finden im Generationengeflecht? Einerseits haben die Eltern die Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder. Großeltern sind von ihr befreit, das entlastet und kann ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den Enkeln ermöglichen („Oma, Du bist mein Freund“). Andererseits sind sie oft „zuständig“ wenn nicht sogar überfordert. Großeltern sind als „Familienfeuerwehr“ gefragt – vom nächtlichen Babysitter bis zum Fels in der Brandung, wenn die junge Familie auseinanderbricht. Dann müssen die Enkel sich mit dem Lebensstil der Großeltern, ihren Möglichkeiten und Grenzen, auseinandersetzen.

„Mein Enkel ist nicht getauft“

Großeltern leiden darunter, wenn Kinder und Enkel Wege gehen, die sie nicht verstehen und befürworten. Gerade im Bereich Kirche und Glaube ist der Ablösungsprozess von den Eltern oft recht kompliziert: Kirchliche Trauung, Taufe, religiöse Familienrituale werden zu Streitpunkten. Nicht einfach, sich da in vertrauensvoller Gelassenheit zu üben in der Überzeugung: Gott liebt das ungetaufte Kind genauso; vor ihm zählt ein gewissenhaftes und ehrliches Leben, und das ist am äußeren Verhalten nur zum Teil ablesbar. Katastrophal wäre die Grenzüberschreitung, gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern religiöse Rituale zu vollziehen (z.B. Nottaufe, Gottesdienstbesuch) – das Ende der Vertrauensbasis wäre vorprogrammiert.

„Die eigene Überzeugung leben“

Der Beitrag der Großeltern am Glauben-Lernen ihrer Kinder und Enkel besteht vor allem im glaubwürdigen Vorleben. Kinder haben ein gutes Gespür dafür, ob jemand seine Überzeugung lebt oder ob ein „Theater“ aufgeführt wird. Wird bei Tisch oder am Abend gebetet, dann auch, wenn Enkel dabei sind. Wenn das gemeinsame Gebet im Alltag normalerweise nicht vorkommt – dann besser auch nicht, wenn die Enkel dabei sind. Genauso beim Kirchgang am Sonntag. Noch wichtiger: Wird der Glaube im Alltag spürbar? Beim Umgang miteinander? Beim Umgang mit Geld und Besitz? Beim Umgang mit Lebensbedrohungen? Beim Gräberbesuch? Beim Erzählen aus dem Leben – ältere Enkel haben dabei schon Fragen wie: Oma, wie hat Dir Dein Glaube geholfen, wenn es Dir schlecht ging? Opa, wie stellst du dir „Gott“ vor? Wie „betet“ ihr zu ihm? Wie denkt ihr über Sterben und Tod? Hoffentlich bekommen die Enkel ehrliche und hilfreiche Antworten.

„Durch unsere Enkel wurden wir zu Lernenden“

Enkel sind oft anstrengend, aber oft auch eine Herausforderung zu neuer Lebendigkeit. Vor allem dann, wenn die Großeltern sich selbst nicht schon am Ziel des Lebens sehen und mit erhobenem Zeigefinger ihre Ratschläge dozieren, sondern wenn sie sich als Unterwegs-Seiende, als Lernende verstehen. Dies gilt nicht nur auf dem Gebiet der Technik (z. B. PC), wo man von den Enkeln einiges lernen kann. Genauso gilt für den Glaubenden das Bild des Weges: Lebenswege über Höhen und Tiefen, allein und gemeinsam … verbunden mit neuen Sichtweisen und Glaubenserfahrungen.

Mich beeindrucken biblische Visionen der Generationensolidarität, vor allem diejenige, die Petrus in seiner „Pfingstpredigt“ zitiert: „Eure Jungen werden Visionen haben und eure Alten werden Träume haben“ (Apg 2,17). Dass sich die Visionen von Enkeln und Großeltern verbinden und verbünden, ist somit nicht nur Zukunftstraum, sondern in der Kirche beginnende Wirklichkeit. Dazu braucht es Orte und Gelegenheiten, wo Junge und Alte untereinander und miteinander über ihre Generationenbeziehungen, über den Schatz der Lebens- und Glaubenserfahrungen, vor allem aber auch über ihre Zukunftshoffnungen in einen guten Austausch kommen können.

 Bernhard Kraus